Rückblick von Tilman
Dadurch, dass ich bereits in einige Kaffeeursprünge gereist bin, war ich voller Vorfreue wieder so nah am Urspung und am Produkt zu sein!
Trotz meiner vorangegangenen Kaffeereisen, waren meine Vorstellungen für Brasilien nicht greifbar. Denn Brasilien spielt in der weltweiten Kaffeeproduktion in einer ganz eigenen Liga, da mehr als ¼ des gesamten Kaffees hier produziert wird.
Mein Bild von Brasilien als Kaffeeland war also geprägt von Bildern, die riesige Kaffeeplantagen so weit das Auge reicht, zeigen.
Dieses Bild sollte in nur wenigen Tagen deutlich erweitert werden!
Denn: Ja, Brasilien produziert viel Kaffee für den Massenmarkt und es bedarf auch dieser endlos-großen Plantagen. Es bedarf auch Maschinen, die diese Pflanzen ernten, um so viel Kaffee in so kurzer Zeit ernten zu können. Das Resultat sind gute und schlechte Kaffeequalitäten, da eine Maschine nie so sauber arbeiten kann wie ein Mensch, der nur die reifen Kaffeekirschen erntet.
Aber: Unser Trip hat mir aufgezeigt, dass Brasilien auch ganz anders kann: Steile Hänge auf der Fazenda Santa Alina, die mich an das Terrain Guatemalas erinnert haben. Avocadobäume als Schattenpflanzen auf dem Sitio Tres Barras, wie ich es in Mexico gesehen hab. Und: experimentierfreudige Fermentationsprozesse auf allen Farms, die wir besucht haben. Die anschließende Verkostung dieser Kaffees hat bestätigt was wir gesehen haben.
Und es hat Lust auf mehr gemacht!
Rückblick von Christian
Für mich war es die erste Reise in einem Kaffeeproduktionsland. Natürlich haben Tilmans Geschichten von seinen vorherigen Reisen begeistert und einige Eindrücke vermittelt. Und doch war alles ganz anders als ich dachte – ganz meiner Erwartung entsprechend. :)
Über den Flug muss man keine Worte verlieren. 11 Stunden Flugzeit bei einer Körpergröße von 1,93m sind einfach kein Spaß. Überrascht hat mich dann aber direkt die Größe von Sao Paulo – eine wahnsinnig riesige Stadt, die ihren Charme erst offenlegt, wenn man Guides hat die sich auskennen. Mit Luis und Niklas von Ocafi waren wir natürlich bestens versorgt und konnten so direkt am ersten Tag einiges an feinster Kulinarik (und natürlich Kaffee) ausprobieren.
Abends sind wir zur Fazenda Pinheiro gefahren. Als erstes sind mir dabei die Patios aufgefallen und die großen Mengen Kaffeebohnen, die dort bereits zur Trocknung lagen. Als wir am nächsten Tag auf die Kaffeeplantagen gefahren sind, hatte ich dann meine erste Begegnung mit einem echten Kaffeestrauch im Ursprung. Natürlich hatte ich schnell die erste reife Kirsche vom Baum genommen und ausgedrückt – eine mega Erfahrung die Bohnen in den Mund zu nehmen und den Geschmack im Mund wahrzunehmen. Besonders erstaunt haben mich dabei in einem ersten Moment die unterschiedlichen Reifestadien der Kirschen. Aufgrund unterschiedlichster Faktoren sind manche Kirschen noch grün oder bereits tiefgelb und kirschig rot und damit längst bereit zur Ernte. Schnell wurde erklärt, dass die Ernte jedes Jahr einiges an Management benötigt, damit die Sträucher zur jeweils besten Zeit geerntet werden können. Wo möglich, wird das mit der Hilfe von großen Erntemaschinen gemacht. Klasse Aussicht übrigens, wenn man auf einer Erntemaschine steht und in die brasilianische Landschaft schauen darf!
Nachdem wir die Fazenda Pinheiro abgelaufen sind und gelernt haben, was vor Ort alles für die Menschen, die dort wohnen unternommen wird, wie beispielsweise die komplette Renovierung aller Häuser oder auch für die Umwelt im Rahmen von Energierückgewinnungen und landschaftlichem Ausgleich zum Kaffeeanbau, sind wir zur Fazenda Tres Barras gefahren. Sie liegt wunderschön an einem Hügel und hat uns ein paar großartige Eindrücke und Bilder beschert. Am meisten bleibt mir bestimmt die Kaffeekirsche der Geisha-Varietät im Gedächtnis. Wahnsinn, die Kirschen haben geschmeckt, als würde ich exotische Früchte auf einem Strand in der Karibik genießen. Hätte nie gedacht, dass man diesen Geschmack aus der Pflanze selbst schmecken kann. Vielleicht kann ich bald ja den geernteten und aufbereiteten Kaffee dazu probieren.
Den besten Eindruck von der tatsächlichen Arbeit auf einer Kaffee-Fazenda haben wir dann auf der Fazenda Santa Alina bekommen. Eine alte, aber dafür umso schönere Fazenda in einer fantastischen Umgebung! Tuca, die Eigentümerin, hatte eine „kleine“ Challenge für uns vorbereitet. Ausgestattet mit mit Sand gefüllten Säcken galt es für uns ein Wettrennen zu bestreiten. Nur ein paar Meter den Hügel hoch, aber das hat schon gereicht, dass wir komplett verschwitzt und fertig waren. Man mag kaum dazu sagen, dass wir nur 8kg Sand in unseren Säcken hatten. Für die Menschen auf der Farm heißt es üblicherweise mit 32kg bepackt zu laufen und natürlich auch nicht nur ein paar Meter. Auf ca. 1400m hat uns die Höhenluft ordentlich zugesetzt. In diesem Moment habe ich komplett vor Augen geführt bekommen, was für ein Job das ist, den die Menschen da ausüben. Ganz ehrlich, das geht richtig auf die Knochen. Und wir haben das nun einmal nur für ein paar Minuten ausprobiert. Ich denke eine ganze Schicht auf der Fazenda würde ich nicht schaffen.
Tuca hat uns auch von der Geschichte der Fazenda erzählt, immerhin gibt es diese schon über 100 Jahre. Sie hat uns geschildert, wie viele Familien in dieser Zeit auf der Fazenda gelebt haben und wie viele der Menschen und Generationen über die Jahre eine tiefe Verbindung zur Fazenda aufgebaut haben. Noch heute kommen immer wieder Menschen, die sehen möchten wie sich die Fazenda entwickelt hat oder noch einmal an den Ort ihrer Kindheit zurückkommen möchten. Man hat direkt gesehen, wieviel für Tuca eben diese Begegnungen ausmachen. Auch das ist Kaffee-Anbau in Brasilien. Dass Tuca eine unfassbar lebensfrohe und sympathische Gastgeberin war, muss man wohl nicht mehr hinzufügen. Eine richtig inspirierende Person!
Auf der Fazenda Matão konnten wir dann die erntereifen Kirschen für unseren Elefanten und unser Nashorn sehen. Eine besondere Brücke, die wir hier schlagen konnten. Jetzt können wir mit Fug und Recht sagen, dass wir den ganzen Weg der Bohne kennengelernt haben.
Ein weiterer Aha-Moment war für mich auch zu sehen, welche Menge der Ernte eigentlich tatsächlich unseren Ansprüchen im Bereich Specialty-Kaffee genügt. Nur wenige der Lots und der geernteten Mengen auf den einzelnen Fazendas kommen dafür infrage. Auch hier braucht es ein richtig gutes Management und Menschen mit einem feinen Gespür für die Kaffeebohnen und deren Anbau. So jemanden wie Fante eben. Er ist Qualitätsmanager und betreut die von uns besuchten Farmen. Mit einer ordentlichen Portion Witz hat er uns eindrücklich erklärt, worauf es beim Kaffeeanbau ankommt und dass ein Großteil der Arbeit bereits im Kaffeesamen liegt. Richtig cool, soviel Hingabe und Identifikation mit dem Thema Kaffee zu sehen, definitiv mehr als ein Job.
Was bleibt von meiner Reise nun im Kopf? Klar, ich habe ein Produktionsland und echte Kaffeebäume gesehen, sowie ganze Kaffeekirschen probiert. Aber am Ende waren es ganz sicher die Menschen, die so viel mehr aus dem Ganzen machen als lediglich ein Getränk, das bei uns in der Tasse landet. Ich genieße meinen Kaffee ab jetzt bestimmt noch einmal ganz anders, jetzt wo ich ein bisschen besser weiß, was Kaffee im Produktionsland eigentlich bedeutet. Alles in allem also eine Wahnsinns-Erfahrung, die ich mit meinen Freunden Frederik und Tilman zu Gast bei wunderbaren Menschen machen durfte.
Nun bin ich definitiv bereit, weitere Herkunftsländer kennenzulernen und meine Eindrücke und mein Wissen immer wieder neu zu vergleichen und zu hinterfragen.
Großer Dank an Luis und Niklas von Ocafi, die diesen Trip für uns erst möglich gemacht haben.
Rückblick von Frederik
Das erste Mal eine noch aktiv produzierende Kaffeefarm zu sehen hatte bereits vor Anreise eine große Vorfreude bei mir ausgelöst - und dazu mit Brasilien das aufgrund seiner Produktionskapazität und damit einhergehend exponierten Marktposition bedeutendste Anbauland der Welt. Wer Brasilien nicht versteht, versteht den Kaffeemarkt nicht, ist so eine Weisheit in der Kaffeewelt. Umso wichtiger für uns, diesem großen Player mal einen Besuch abzustatten.
Knackige 5 Tage wurden wir von Luis und Niklas über nahezu alle kooperierenden und Ocafi-eigenen Farmen getrieben und haben damit nicht nur unseren eigenen Kaffee der Fazenda Matão gesehen, sondern auch viele andere Farmen. Damit einhergehend haben wir auch nicht nur unseren eigenen Kaffee probieren, sondern einen Überblick über das gesamte Kaffeespektrum gewinnen können, das in dieser Region produziert wird. Und das ist nicht mehr nur Massenqualität für den großen Kaffeemarkt, sondern zunehmend Spitzenqualität, die man bis dato nicht primär mit Brasilien in Verbindung gebracht hat. Was vielleicht auch daran liegen könnte, dass Brasilien im Vergleich zu den meisten anderen Produktionsländern gleichzeitig auch ein sehr großes Konsumland ist (unglaubliche 60% des produzierten Kaffees bleiben in Brasilien!). Weil die brasilianische Regierung den Import ausländischer Kaffees grundsätzlich verbietet, führt es dazu, dass die in Teilen kaufkräftige Bevölkerung Brasiliens den Spitzenkaffee im eigenen Land behält. Für mich völlig neu und eine interessante neue Facette im Kaffeehandel, die ich so bisher nicht auf dem Radar hatte.
Als großes Glück für uns stellte sich Fante dar, der als studierter Agronom, Q-Grader und passionierter Kaffeetrinker keine unserer zahlreichen Fragen offenließ und uns mit allerlei Details über Anbau, Aufbereitung und Besonderheiten brasilianischer Kaffees fütterte.
Ich hätte es mir gewünscht, auch mit den Mitarbeitern und Erntehelfern der Farmen in den direkten Austausch treten zu können, doch mangelte es uns dreien an Portugiesisch-Kenntnissen. Ein ungewohntes und unangenehmes Gefühl einer unsichtbaren Barriere, die wir gerne durchstoßen hätten. Sicher etwas, woran wir in Vorbereitung unseres nächsten Brasilien-Besuchs arbeiten werden.
Trotz dessen wurden wir überall mit einer überwältigenden Herzlichkeit empfangen, die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Wir sind auf zahlreiche schillernde Persönlichkeiten gestoßen, die uns alle ihre persönliche Vision vom Kaffee ausgemalt und ihre persönlichen Inspirationen mit uns geteilt haben. Kaffee verbindet und dieses Gefühl sollten wir verbreiten, um gemeinsam eine andere und fairere Kaffee-Welt aufzubauen.
Der direkte Austausch mit jedem, der Hand anlegt am Kaffee, den wir am anderen Ende der Welt in der Tasse genießen dürfen, ist unser Antrieb und auch Anspruch. Wir sind dem nun ein klein wenig nähergekommen und haben zahlreiche Perspektiven dazugewonnen. Schon jetzt freue ich mich darauf, dieses Wissen und diese Erfahrungen an der Bar, in der Kaffeeschule oder sonst wo weiterzugeben. Denn eines hat dieser Trip auch wieder verdeutlicht: Theoretisches Wissen aus Büchern oder Erzählungen sind großartig, doch ist das hautnahe Erleben dessen von unbezahlbarem Wert.
Nun, im Nachgang, setzt sich ein gewisses Bild des brasilianischen Kaffeeanbaus in meinem Kopf fest, das zwischen erwarteter intensiver Landwirtschaft und überraschender Vielseitigkeit anzusiedeln ist. Ein Bild, das sich einfügt in mein bisheriges Verständnis von der Kaffeewelt und gleichzeitig vieles durcheinander und noch viel mehr Fragen aufwirft. Ich freue mich, dass Brasilien nicht das letzte, sondern eines der ersten Kaffeeländer ist, die ich sehen werde. Ich freue mich, dass Brasilien mich auf so positive Weise überrascht hat. Genau das macht nämlich den Reiz von Kaffee aus: Seine Vielfältigkeit und Unberechenbarkeit.